Vertragsrecht

Ist der Widerruf eines Vertrages möglich?

Unter vielen Kunden ist die Vorstellung weit verbreitet, man könne ohne Grund innerhalb einer bestimmten Frist (z.B.: 1 Woche) von jedem Vertrag zurücktreten. Aber einmal geschlossene Verträge – sei es schriftlich oder mündlich – sind grundsätzlich einzuhalten (lateinisch: „Pacta sunt servanda“).

Ausnahmen von diesem gesetzlichen Grundsatz gibt es vor allem bei Haustür- und Abzahlungsgeschäften oder im Versandhandel. In diesen besonderen Fällen soll der private Kunde vor Überrumplung und vor übereilten Schuldverpflichtungen geschützt werden. Er hat deshalb ein Rücktrittsrecht von zwei Wochen. Auf dieses Widerrufsrecht muss er vom Verkäufer sogar hingewiesen werden, sonst verlängert sich die Widerrufsfrist auf ein Jahr.

Der in der Praxis wichtigste Vertrag ist der Kaufvertrag.

Probleme ergeben sich häufig hinsichtlich der Gewährleistung. Der Verkäufer einer Sache haftet dem Käufer dafür, dass diese bei Übergabe nicht fehlerhaft ist. Ist der Käufer Verbraucher, handelt es sich um einen Verbrauchsgüterkauf (in der Praxis der häufigste Fall) In diesem Fall haftet der Verkäufer zwei Jahre dafür, dass die Sache nicht fehlerhaft ist. Beim Verkauf gebrauchter Sachen kann die Gewährleistung auf ein Jahr beschränkt werden. Während der ersten sechs Monate wird vermutet, dass der entdeckte Fehler schon bei Übergabe vorhanden war (Beweislastumkehr).

Eine der wichtigsten Regelungen besteht darin, dass der Käufer bei Lieferung einer mangelhaften Sache grundsätzlich einen verschuldensunabhängigen Anspruch auf Nacherfüllung hat, das heißt der Käufer kann zunächst Nachbesserung der fehlerhaften Sache oder Ersatzlieferung einer neuen Sache verlangen. Erst wenn die Nacherfüllung gescheitert ist, weil sie unmöglich oder unverhältnismäßig ist oder weil die dem Verkäufer zur Nacherfüllung gesetzte Frist erfolglos abgelaufen ist, kommen die weiteren Ansprüche auf Rücktritt, Minderung und Schadensersatz in Betracht.

Erhält der Kunde im Zuge der Nacherfüllung eine mangelfreie Sache oder tritt der Käufer vom Vertrag zurück, muss er die mangelhafte Sache herausgeben. Zugleich muss er Wertersatz für den Gebrauchsvorteil leisten. Der Käufer beispielsweise, der nach einem Jahr wegen eines Mangels des gekauften PKW vom Kaufertrag zurücktritt, hat dem Verkäufer demnach die Vorteile herauszugeben, die er durch die Benutzung des PKW gezogen hat.

In der Praxis ebenfalls häufig: Der Werkvertrag

Unter einem Werkvertrag versteht man einen Vertrag, der den Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werks und den Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Entscheidend ist, dass der Unternehmer einen bestimmten Erfolg herbeiführen muss.
Auf Verträge, die die Herstellung beweglicher Sachen zum Gegenstand haben, finden nur noch die Vorschriften des Kaufrechts Anwendung.

KOSTENVORANSCHLAG
Ein Kostenvoranschlag ist, wenn nichts anderes vereinbart ist, nicht zu vergüten, § 632 Abs. 3 BGB. Möchte der Unternehmer für das Erstellen des Kostenvoranschlags eine Vergütung haben, muss er dies vor Vertragsschluss mit dem Besteller individuell vereinbaren.
ACHTUNG: Eine Aufnahme in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen genügt nicht! Bei einer wesentlichen Überschreitung des im Kostenvoranschlags angesetzten Preises hat der Unternehmer dem Besteller unverzüglich die Überschreitung anzuzeigen. Der Besteller ist dann zur Kündigung des Vertrags berechtigt. Wenn der Besteller sein Kündigungsrecht nicht ausübt, kann der Unternehmer die tatsächlich anfallende Vergütung verlangen.

ABNAHME
Der Besteller muss das vom Unternehmer vereinbarungsgemäß hergestellte Werk abnehmen, §§ 640, 646 BGB. Die Abnahme bedeutet, dass der Besteller das Werk als vertragsgemäß anerkennt! Erst mit der Abnahme wird der Vergütungsanspruch fällig. Das heißt, die Abnahme ist Voraussetzung dafür, dass der Unternehmer die ihm zustehende Vergütung verlangen kann. Der Unternehmer ist also grundsätzlich vorleistungspflichtig. Möchte der Besteller im Falle eines Mangels Mängelansprüche geltend machen, so muss er entweder die Annahme verweigern oder sich seine Rechte bei der Abnahme vorbehalten. Die Verweigerung der Annahme kommt aber nur bei wesentlichen Mängeln in Betracht. Die Abnahme kann grundsätzlich auch durch eine Fertigstellungsbescheinigung ersetzt werden. Die gesetzlichen Wirkungen der Abnahme treten darüber hinaus auch dann ein, wenn der Besteller trotz angemessener Fristsetzung zur Abnahme durch den Unternehmer diese nicht durchführt.

SICHERHEITEN FÜR DEN UNTERNEHMER
Der Unternehmer ist zwar grundsätzlich vorleistungspflichtig (s.o.). Er kann jedoch vom Besteller für in sich abgeschlossene Teile Abschlagszahlungen verlangen, § 632 a BGB. Voraussetzung dafür ist, dass dem Besteller das Eigentum an den Teilen übertragen wird. Zusätzlich kann der Unternehmer eines Bauwerks, einer Außenanlage oder eines Teiles davon vom Besteller Sicherheit für die von ihm zu erbringende Vorleistung verlangen, § 648 a BGB. Hierzu muss er dem Besteller eine angemessene Frist mit der Erklärung setzen, dass er nach dem Ablauf der Frist seine Leistung verweigere. Die Höhe der Sicherheit darf hierbei die Höhe des voraussichtlichen Vergütungsanspruches nicht überschreiten.

Wann ist ein Werk mangelhaft?
Es gibt zwei Arten von Mängeln:
1. Sachmangel, § 633 Abs. 2 BGB: Ein Sachmangel des Werkes liegt vor, wenn es nicht die zwischen Werkbesteller und Werkunternehmer vereinbarte Beschaffenheit hat, oder es sich nicht für die im Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, oder es sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Besteller nach der Art des Werkes erwarten kann.
2. Rechtsmangel, § 633 Abs. 3 BGB: Ein Rechtsmangel liegt vor, wenn ein Dritter gegen den Besteller in Bezug auf das Werk ein Recht geltend machen kann, das der Besteller im Werkvertrag nicht übernommen hat.

MÄNGELBESEITIGUNG
Liegt ein Mangel vor, kann der Besteller Nacherfüllung verlangen. Anders als im Kaufrecht kann jedoch hier der Unternehmer wählen, ob er den Mangel beseitigt oder ob er das Werk neu herstellt. Der Unternehmer kann die Nacherfüllung verweigern, wenn diese mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist, § 635 Abs. 3 BGB.
Kommt der Unternehmer seiner Pflicht zur Nacherfüllung innerhalb einer ihm vom Besteller gesetzten angemessenen Frist nicht nach, kann der Besteller nach Ablauf der Frist den Mangel grundsätzlich selbst beseitigen oder durch einen anderen Unternehmer beseitigen lassen und Ersatz für die dadurch entstandenen Aufwendungen vom Unternehmer verlangen (sog. Selbstvornahme), §§ 634 Nr. 2, 637 BGB.
Eine Fristsetzung ist insbesondere entbehrlich, wenn die Nacherfüllung bereits fehlgeschlagen ist. Für die erforderlichen Aufwendungen kann der Besteller vom Unternehmer einen Vorschuss verlangen. Die Selbstvornahme ist jedoch ausgeschlossen, wenn der Unternehmer die Nacherfüllung verweigert hat, weil sie mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist (s.o.).

Der Besteller hat anstatt des Rechts auf Nacherfüllung ein Recht auf Rücktritt vom Werkvertrag oder auf Minderung des vereinbarten Preises. Dies gilt jedoch nur, wenn er dem Unternehmer zuvor eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat und dieser nicht innerhalb dieser Frist nacherfüllt hat. Außerdem ist der Rücktritt nur bei erheblichen Mängeln möglich. Er ist außerdem ausgeschlossen, wenn der Besteller den Mangel allein oder überwiegend zu verantworten hat.
Liegen die Voraussetzungen für Rücktritt und Minderung vor und trifft den Unternehmer ein Verschulden, so hat der Besteller darüber hinaus auch einen Schadensersatzanspruch. Verschulden umfasst auch einfache Fahrlässigkeit.
Der Umfang des Schadenersatzes ist das sog. positive Interesse, d.h. der Besteller muss so gestellt werden, als ob der Unternehmer das Werk mangelfrei hergestellt hätte. Umfasst sind deshalb sowohl Schäden am Werk als auch Schäden, die nicht am Werk selbst, sondern an anderen Sachen oder an Personen eingetreten sind.
Alternativ zum Schadenersatz kann der Besteller vom Unternehmer Ersatz seiner vergeblichen Aufwendungen verlangen. Er kann also die Aufwendungen geltend machen, die er im Vertrauen auf den Erhalt einer mangelfreien Leistung getätigt hat.

VERJÄHRUNG DER MÄNGELANSPRÜCHE
Die Verjährung von Mängelansprüchen beträgt wie im Kaufrecht in der Regel zwei Jahre, beginnend mit der Abnahme. Bei Bauwerken oder Sachen, die in ein Bauwerk eingearbeitet werden, beträgt sie fünf Jahre beginnend mit der Abnahme.

KÜNDIGUNG BEI WERKVERTRÄGEN
Der Besteller kann den Werkvertrag jederzeit kündigen. Dies gilt selbst dann, wenn der Unternehmer ordentlich arbeitet. Allerdings hat der Unternehmer als Ausgleich einen Anspruch auf die vereinbarte Vergütung. Er muss sich nur das anrechnen lassen, was er wegen der Aufhebung des Werkvertrages an Aufwendungen erspart oder was er durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt. Angerechnet wird ebenfalls, was er böswillig zu erwerben unterlässt, § 649 BGB. Die Beweislast trägt hierbei der Besteller, nicht der Unternehmer!